Erbrecht/Vermögensnachfolge

27.03.2019 VH

Von vielen unbemerkt gilt in Deutschland seit dem 17. August 2015 eine neue Rechtslage für Erbfälle mit Auslandsbezug: Die Europäische Erbrechtsverordnung bestimmt, welches nationale Recht die Nachfolge in das Vermögen eines Verstorbenen regelt. Fragen wie die gesetzliche Erbfolge, das Erbrecht des Ehegatten, Pflichtteilsrecht, etc. richten sich bei Versterben eines deutschen Staatsangehörigen nicht mehr automatisch nach deutschem Recht. Zumindest dann, wenn der Erblasser einige Zeit vor seinem Tod Wohnsitz im Ausland genommen hat, kann ausländisches Recht anwendbar sein – und Lebensplanungen der Angehörigen durcheinanderbringen.
Die Tragweite dieses Systemwechsels ist vielen nicht bewusst. Hinzu kommt, dass viele Rechtsfragen der Erbrechtsverordnung noch nicht geklärt sind. Erste Weichenstellungen sind nun durch den Europäischen Gerichtshof erfolgt.
Im Urteil vom 1. März 2018 (EuGH C-558/16, Mahnkopf) wurde entschieden, dass auch der pauschale Zugewinnausgleich unter Ehegatten im Todesfall dem – mitunter ausländischen – Erbrecht untersteht (und damit ganz entfallen kann). Die gefestigte nationale Rechtsprechung ging demgegenüber bis dahin davon aus, dass dieser Teil des Ehegattenerbrechts alleine güterrechtlich qualifiziert (und damit – bei deutscher Ehe – deutschem Recht unterfällt). Im Einzelfall dürften erhebliche Rechtsunsicherheiten und Familienstreitigkeiten zu erwarten sein.
Am 21. Juni 2018 folgte eine Entscheidung (C-20/17, Oberle) zum Europäischen Nachlasszeugnis. In vielen Fällen mit Auslandsbezug tritt dieses an die Stelle des deutschen Erbscheins. Was nach den Worten des EuGH der zügigen und effizienten Abwicklung von Erbsachen dienen soll, ist vor den Nachlassgerichten doch Neuland und zumindest derzeit noch fehleranfällig.
Eine zeitgemäße und europaweit vereinheitlichte Anknüpfung des Erbrechts ist zu begrüßen. Nach unserer Erfahrung ist das Thema allerdings wenig bekannt. Hinzu kommt, dass die zivilrechtlich einheitliche Abwicklung nach einem bestimmten nationalen Recht nicht verhindert, dass verschiedene Staaten einen Besteuerungsanspruch auf den Nachlass erheben. Bei der Erbschaftsteuer ist die Doppelbesteuerung in Fällen mit Auslandsbezug die Regel, nicht die Ausnahme. Eine geeignete testamentarische Vorsorge und Nachlassplanung (Estate Planning) ist in allen grenzüberschreitenden Fällen geboten.